Der Meister, die Hirten und die Schafe

Ein modernes Märchen - von Anna Maria Hosta - hier als YouTube Video
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Es war einmal eine Schafherde und so fängt ein neues Märchen an. Die Schafherde hatte einen Hirten, der sie vor dem bösen Wolf beschützt, damit er keines der Schafe reiße. Der Hirte wachte treulich über seine Schafe, sein ganzes Leben lang und wenn er starb, dann kam einfach wieder ein junger Hirte und übernahm die Herde.
Aber über den Schafen und über den Hirten wachte ein Meister, der niemals starb, der ewig lebte und dieser wacht getreulich Tag aus, Tag ein und Jahr um Jahr und immer und ewig und ohne Ende über sie alle. Er ist ihr Meister und ihr aller Vater und lebt in jedem von ihnen durch ihr Gewissen. Und weil er in jedem von ihnen lebt, beobachtet er auch ein jedes immerdar und schreibt all ihr Tun und Lassen auf in dem Buch, das er über jedes führt und wenn sie alle eines Tages ihren Körper verlassen und zu ihrem Vater zurückkehren, dann lesen sie das, was der Meister, ihr Vater über sie aufgeschrieben hat.
Eines Tages beschloß der Vater, der der Meister der Herde und ihrer Hirten ist, sein ewiges Sein aufzugeben und selbst ein Hirte zu werden, weil er sah, daß es nötig war, den Hirten eine neue Wahrheit zu überbringen, weil die alte Wahrheit nicht mehr zeitgemäß gewesen ist. Als er erwachsen geworden war und anfing, die neue Wahrheit zu erzählen, mußte er feststellen, daß die Hirten nicht bereit waren, die neue Wahrheit anzunehmen. Er versammelte einige der Schafe um sich, die für die neue Wahrheit offen waren und ihnen erzählte er die neue Wahrheit. Die Hirten aber lehnten seine neue Wahrheit ab, ja nicht nur das, sie ließen ihn auch gefangennehmen und klagten ihn des Verrats an. Damit nicht genug, sagten sie untereinander: Er ist ein Aufrührer. Er verhetzt die Schafe. Wir wollen ihn töten. Und schließlich haben sie ihn grausam mißhandelt und getötet.
Der Meister aber hatte dies alles im Voraus gewußt und vor seinem Tod hatte er den Schafen, die er um sich versammelt hatte, vorhergesagt, daß er wiederkommen würde, nicht als Meister, sondern als Wolke und daß er sie dann von Geist zu Geist in die ganze Wahrheit einführen werde, die die Hirten und die Schafe bis jetzt noch nicht verstehen können, weil sie noch nicht die nötige Reife dafür erlangt hätten. Damit seine Schafe nicht verzweifeln über seinen Tod, den der Meister erdulden mußte, ist er ihnen auch in seinem Lichtkörper erschienen, um ihnen zu zeigen, daß er nicht stirbt, sondern ewig lebt. Als die Schafe ihren Meister vor sich sahen, wie er ewig lebt, freuten sie sich und der Meister versprach ihnen, daß er immer in ihrer Mitte sein werde, auch wenn sie ihn nicht sehen. Sie können ihn nicht sehen, weil er als Wolke unsichtbar ist für ihre Augen. Dennoch lebt er in jedem von ihnen, denn er ist ihr Gewissen, das sie führt.
Und so vergingen nahezu 2000 Jahre und eines Tages begann der Meister, nachdem er erkannt hat, daß die Schafe nun die nötige Reife erlangt hatten, sich daran zu machen, sein Versprechen, wiederzukommen und die Herde in die ganze Wahrheit einzuführen, wahrzumachen. Er weihte einen Hirten und dieser versammelte auf Geheiß des Meisters viele Schafe um sich und richtete Versammlungsorte ein. Als er damit fertig war, begann der Meister damit, zu den Verstandesorganen der Schafe von Geist zu Geist zu sprechen und er ordnete an, daß die anderen Schafe alles aufschreiben, was die "hörenden" Schafe reden würden, denn sie redeten das, was der Meister ihrem Verstandesorgan eingegeben hat. Und die anderen Schafe schrieben folgsam alles auf und erstellten Bücher davon, so wie der Meister es ihnen gesagt hat. Über mehrere Generationen hinweg sprach der Meister so zu der Herde. Während zwei Weltkriege über die ganze Erde hinwegfegten, sprach der Meister an einem abgelegenen Ort zu seiner Herde und übermittelte ihnen seine dritte Lehre. Sie bekamen sodann den Auftrag, diese Lehre in der ganzen Welt zu verbreiten und sie allen Schafen auf der ganzen Welt zu verkünden.
Einem schwarzen Schaf, das von seiner Herde ausgegrenzt wurde, weil es eben schwarz schien, zeigte sich der Meister in seiner Jugend und er sagte ihm, daß es einen langen Weg habe und lernen müsse, folgsam zu sein und zu beten. Als dieses schwarze Schaf alt geworden war, zeigte sich ihm der Meister erneut und trug ihm auf, seine dritte Lehre allen Schafen auf der ganzen Welt bekannt zu machen und so machte sich das schwarze Schaf eifrig an die Arbeit und begann damit, die dritte Lehre des Meisters allen Schafen auf der ganzen Welt bekannt zu machen. Aber das ausgegrenzte schwarze Schaf stieß dabei auf großen Widerstand, denn die Schafe wollten das schwarze Schaf loswerden, wie einst die Hirten ihren Meister. Und so lebte das schwarze Schaf verborgen und arbeitete im Verborgenen, sodaß niemand seinen Namen wußte und so verbreitete es die Dritte Lehre des Meisters und immer mehr Schafe suchten die dritte Lehre des Meisters, weil sie erkannten, daß der Meister ein liebevoller und gütiger und weiser Vater ist, der es gut meint mit seinen Kindern.
Das schwarze Schaf
Anna Maria Hosta